Projektverantwortliche: Josefine Hoffmann
Projektstatus: laufend
Dieses Promotionsprojekt verfolgt die westdeutsch-indische Zusammenarbeit in der Stahl- und Maschinenbauindustrie. Dabei sollen die Auswirkungen bilateraler Berufsausbildungskooperationen auf den industriellen indischen Arbeitsmarkt sichtbar gemacht werden. Aufgrund sich verändernder globaler und nationaler politischer Umstände, beschränkt sich das Projekt auf den Zeitraum von Beginn der 1950er Jahre bis 1989.
Die Bundesrepublik Deutschland investierte in den 1950er Jahren unter dem philanthropischen und altruistischen Anspruch der Entwicklungshilfe in technische Hilfe für das unabhängige Indien. Zugleich war für den indischen Staat die Modernisierung der Industrie ein wichtiger Faktor des postkolonialen Nationbuilding. Man erwartete sowohl in Indien als auch in der Bundesrepublik finanzielle und strategische Vorteile durch die Zusammenarbeit in der Stahl- und Maschinenbauindustrie als Vorzeigeindustrie eines modernen Staates. Politische Strategien entfalteten sich hierbei vor allem im Kontext der erklärten Blockfreiheit Indiens im Kalten Krieg und der Hallstein-Doktrin der BRD.
Eingebettet in diese staatlichen Positionen und in neue Programme der Bildungspolitik Indiens, entstanden einige Kooperationen westdeutscher Unternehmen mit indischen staatlichen Unternehmen, teils unter finanzieller oder logistischer Beteiligung der BRD. Die verschiedenen Interessen der staatlichen und privatwirtschaftlichen Beteiligten und die sich daraus ergebenden Hierarchien und Konflikte, dienen als Framework für dieses Promotionsprojekt. Das Projekt untersucht außerdem die Ebenen der Zusammenarbeit in den Berufsausbildungsprojekten, beispielsweise den Wissenstransfer auf Ausbildungsebene oder die Frage, in welchem Umfang das duale deutsche Ausbildungssystem an indischen Situationen angepasst wurde.
Tatsächlich bestanden Berufsbildungskooperationen in den 1960er Jahren im deutsch-indischen Kontext in zwei verschiedenen Formen: Entweder wurden indische Personen zur Ausbildung an die Unternehmensstandorte in die BRD geschickt, oder aber Deutsche wurden nach Indien gebracht, um dort vor Ort in den Werkstädten auszubilden. Zu letzterer Option, die oft bevorzugt wurde, gehörte auch die Unterweisung höherrangiger indischer Personen in der Schulung neuer Arbeitskräfte. Wie wirkten sich diese beiden unterschiedlichen Situationen auf den wachsenden industriellen Arbeitsmarkt in den beiden oben genannten Branchen auf institutioneller und individueller Ebene aus?
Während der Entstehung eines liberalen Marktes wurde zwischen sozialer und industrieller Moderne eine Kausalität konstruiert und so betonten viele Beteiligte, die Investitionen in die Ausbildung industriellen Personals sei von größter Wichtigkeit für den Fortschritt Indiens in der Weltwirtschaft. So veränderte sich die Bedeutung praktischer Fähigkeiten im Gegensatz zu akademischem Wissen: Die Qualität der deutschen Stahl- und Maschinenbauindustrie wurde häufig darauf zurückgeführt, dass hier Facharbeiter die gleiche Arbeit leisten konnten, die in vielen anderen Ländern nur Personen mit abgeschlossenem Ingenieursstudium verrichten konnten oder durften. Durch diese Voraussetzungen nahmen die Ausbildungskooperationen Einfluss auf Diskurse über Qualifikation, Wissen und Know-how. Sie beeinflussten damit schließlich auch Fragen der Beschäftigung und den industriellen Arbeitsmarkt.
Das Promotionsprojekt geht diesen Fragen nach, indem vor allem Bestände privater Unternehmensarchive sowie staatlicher Wirtschaftsarchive verwendet und dabei für das MIDA-Projekt erschlossen werden.