I. Resumé
Nach neun Jahren gemeinsamer Arbeit und an der Schwelle zum Beginn unserer letzten Förderperiode scheint es angebracht, den bereits zurückgelegten Weg Revue passieren zu lassen.
Im November 2014 begann ein engagiertes Team aus Studierenden, Koordinatoren, Principal Investigators und unseren innovativen Tandem-Duos aus indischen und deutschen Prä- und Post-Docs mit der Identifizierung und Beschreibung von Archivbeständen in deutschen Archiven, die für Historiker*innen des modernen Indiens und/oder der deutsch-indischen Verflechtungsgeschichte von Interesse sind. Mit dem Start der MIDA-Website im Mai 2019 konnte dieser wachsende Datensatz über unsere Datenbank auch von der Öffentlichkeit begutachtet werden – und das im Zusammenspiel mit unserer ebenfalls 2019 erstmals zugänglichen Open-Access-Zeitschrift MIDA Archival Reflexicon. Das Reflexicon – ein projektinterner Kosename der Publikation – schafft einen Raum für die Betrachtung der methodischen und erkenntnistheoretischen Fragen, die sich aus der Arbeit mit diesen unterschätzten Ressourcen ergeben, die in gemeinhin nicht mit der Kolonialisierung des Subkontinents in Verbindung gestellten Archiven untergebracht sind, und zeigt gleichzeitig das Potenzial konkreter Archivbestände anhand spezifischer thematischer Beispiele auf.
Schon bald wurde klar, dass ein weiteres Medium von Nöten ist, um jene aus dem Projekt hervorgegangenen Forschungsdaten angemessen darzustellen, die nicht in den Rahmen der Datenbank oder des Reflexicons passten, aber zu wertvoll waren, um sie einfach in unseren digitalen Schubladen verstauben zu lassen. Mit dem Format MIDA Thematische Ressourcen veröffentlichen wir Datensätze in einer paginierten pdf-Version, die zitiert werden kann, sowie in einer Tabellenkalkulationsdatei, die sortiert, gefiltert und weiter analysiert werden kann. Georg Lilies Liste zeigt wohl am eindrucksvollsten das Potenzial des Formats, die Basis für verschiedene Forschungsprojekte zu schaffen, indem sie eine große Menge wertvoller Grundlagenforschung zum Austausch zwischen den Gewerkschaften Indiens und der DDR auflistet. Gerdien Jonkers 2021 erschienenes Postskriptum zu ihrem ursprünglich zwei Jahre zuvor veröffentlichten Reflexicon-Beitrag zeigt hingegen den Vorteil der Online-Veröffentlichung, nämlich die Möglichkeit, frühere Arbeiten zu aktualisieren und zu erweitern und sogar einen Dialog mit den eigenen Lesern zu eröffnen.
Geleitet von den thematischen Wegweisern Geistes‑, Politik‑, Wirtschafts- und Missionsgeschichte weitete sich die Arbeit an der Datenbank und den beiden Publikationsreihen sowie den Einzelprojekten innerhalb unserer Tandem-Duos zu zahlreichen Workshops, Tagungen, Vorträgen, Seminaren, diversen Publikationen und sogar einem abendfüllenden Film aus und verdeutlichte damit die Weite dieser oft unberührten Quellenbasis. Neben all der Wissensproduktion und dem dazugehörigen Transfer wuchs das Team zusammen und blieb in Kontakt, über die Distanz zwischen unseren beiden Standorten Berlin und Göttingen hinweg und oft auch über die eigene Zeit im Projekt hinaus, wobei die Höhepunkte sicherlich die frühmorgendlichen Spaziergänge und spätabendlichen Gespräche während unserer akademischen Retreats in unserer geschätzten Akademie Waldschlösschen bei Göttingen waren.
II. Wissenstransfer und Barrierefreiheit
Drei Förderperioden nach dem Projektbeginn 2014 wurden aus BAs MAs, aus Pre-Docs Post-Docs, und die Datenbank ist inzwischen auf 88 Archive und 2710 Bestände angewachsen. Mit dem Relaunch unserer Webpräsenz im Jahr 2023 hat das MIDA-Publikationsteam seinen Fokus noch stärker darauf gerichtet, ein breiteres und vielfältigeres Publikum zu erreichen und den Nutzen unserer Publikationen sowohl für unsere Leser*innen als auch für unsere Autor*innen zu erhöhen.
Um unsere Reichweite zu erhöhen, haben wir uns mit dem Max Weber Forum Delhi zusammengetan und alle unsere Artikel und Forschungsdatensammlungen in den bewährten Formaten MIDA Archival Reflexicon und MIDA Thematische Ressourcen über das digitale Repositorium perspectivia.net der Max Weber Stiftung neu publiziert. Die Publikationen sind nun alle mit einem DOI versehen und werden über perspectivia.net in ein breites Netzwerk aus Open-Access-Datenbanken und wissenschaftlichen Suchmaschinen übertragen. Die Lizenzierung der Publikationen mit CC-BY-ND 4.0 garantiert den Open-Access-Charakter, der von Anfang an im Zentrum des MIDA-Publikationskonzepts stand, sowie das Recht unserer Autor*innen auf eine angemessene Würdigung ihrer Arbeit, wenn diese rezipiert bzw. vervielfältigt wird. Darüber hinaus fügt unser Publikationsteam unermüdlich Erkenntnisse aus unseren Veröffentlichungen in relevante Wikipedia-Artikel ein und trägt so zur Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse bei und erhöht gleichzeitig die öffentliche Sichtbarkeit des Projekts und der Publikationen.
Was die überarbeitete Website selbst betrifft, so ermöglicht das minimale und responsive Design der HTML-Version unserer Artikel einen bequemen Zugriff auch bei langsameren Internetverbindungen und auf allen gängigen mobilen Geräten. Die herunterladbaren PDF-Versionen ermöglichen es, über Kommentare die eigenen Gedanken zu erfassen – digital oder auf dem Papier – und wurden für Bildschirmlesegeräte optimiert, um die Einschränkungen, die Sehbeeinträchtigungen bei der Informationsaufnahme in einem überwiegend textbasierten akademischen Diskurs darstellen können, zu verringern. Da eines der Elemente dieser Aufgabe die Beschreibung der in den Artikeln vorkommenden visuellen Quellen (z. B. Fotos, gescannte Dokumente) ist, wurde aus einer scheinbar technischen Aufgabe eine überraschend kreative. Um diese Aufgabe für das Veröffentlichungsteam zu erleichtern, bitten wir die Autor*innen künftiger Veröffentlichungen, detaillierte Beschreibungen des in ihren Artikeln verwendeten Bildmaterials beizufügen.
Unser herzlicher Dank geht an:
- Sebastian Schwecke (Max Weber Forum Delhi) sowie Michael Kaiser, Katrin Neumann, Maria Wiegel und Julian Schulz (Max Weber Stiftung / perspectivia.net) für die Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Archival Reflexicons und der Thematischen Ressourcen,
- Peter Albertz und Marina Lemaire (Servicecenter eSciences, Universität Trier) für ihre kontinuierliche Unterstützung bei der Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts,
- Monja Hofmann, dem Mastermind hinter MIDAs Webauftritt und Publikationslayout, für ihre jahrelange, hervorragende technische und kreative Arbeit,
und dem gesamten MIDA-Team, unserem akademischen Beirat und dem erweiterten MIDA-Netzwerk für all die Fortschritte, Erkenntnisse und herzlichen Lacher, die wir auf unserem Weg gemacht und gewonnen haben.
III. Wie geht es weiter?
Mit Blick auf die Zukunft sehen wir den Übergang in die letzte Förderperiode als richtigen Zeitpunkt, um die bereits gesammelten Daten zu ordnen und zu optimieren, während wir gleichzeitig neue Themen erkunden und aufzeigen, wohin dieses und ähnliche Projekte weiterhin führen könnten. So finden seit April 2023 regelmäßige Leseforen statt, in denen wir über die Erschließung verschiedener postkolonialer Texte versuchen, MIDA in die größere Debatte um die Postkolonialität Deutschlands einzubetten und diese durch den Blick auf deutsch-indische Beziehungen zu bereichern. Auf Grundlage dieser Leseforen entwickeln wir eine Tagung im Jahr 2025 mit dem vorläufigen Titel „Die lange Geschichte deutscher Mitwirkung am europäischen Kolonialprojekt: Perspektiven aus Indien“.
Wir möchten diese letzte Etappe der Reise aber auch als eine Einladung an unsere Mitwirkenden und Leser*innen verstehen, die unsere Bemühungen aktiv unterstützen können, indem sie uns relevante Wikipedia-Artikel, Beschreibungen visueller Quellen oder sogar Hinweise auf neue Archive für unsere Datenbank oder Datensätze für eine unserer Thematischen Ressourcen liefern – oder unser Publikationsangebot mit neuen faszinierenden Artikeln oder Listen bereichern.
Zum Auftakt dieses Prozesses planen wir eine Konferenz, die konzeptionell an das Reflexicon angelehnt ist und im September 2024 im Leibniz-Zentrum Moderner Orient stattfinden wird. Weitere Informationen folgen.