Bild: Brüder Schlag­in­tweit (v. l. Robert, Her­mann und Adolf), Quelle: Wiki­me­dia Com­mons, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Inhaltsverze­ich­nis
Die Expe­di­tion der Schlag­in­tweit | Die wis­senschaftlichen Aufze­ich­nung | Nat­u­ralien und Arte­fak­te | Lit­er­aturverze­ich­nis

Die Expedition der Schlagintweit

Unter allen Din­gen zu denen ich mit­gewirkt, ist Ihre Expe­di­tion nun eine der wichtig­sten geblieben. Es wird mich dieselbe noch im Ster­ben erfreuen. Sie wer­den geniessen, was zwis­chen der Rück­un­ft [!] von Mex­i­co und der Sibirischen Reise unun­ter­brochen meine Phan­tasie beschäftigt hat. Möge es Ihnen wohl gehen.

Brescius 2015, S. 47

Mit diesen Zeilen nahm Alexan­der von Hum­boldt im Sep­tem­ber 1854 Abschied von den drei Münch­n­er Brüdern Her­mann (1826 – 1882), Adolph (1829 – 1857) und Robert Schlag­in­tweit (1833 – 1885), die zu ihrer Expe­di­tion nach Indi­en und „Hochasien“ auf­brachen. Hum­boldt war der Spir­i­tus rec­tor dieser Forschungsreise; er hat­te das Unternehmen einge­fädelt und begleit­ete es pub­lizis­tisch. Ver­ständlich daher, dass die drei Brüder sich dem Uni­ver­sal­is­mus des greisen Doyens der Geowis­senschaften nicht entziehen kon­nten und woll­ten. Hum­boldts Rolle im Hin­ter­grund erk­lärt die Schlagintweit‘sche Fix­ierung auf dessen wis­senschaftlichen Ansatz.

Die enorme Span­nweite der Inter­essen und Ziele, die fast das ganze Gebi­et der dama­li­gen Natur­wis­senschaften abdeck­ten, sollte allerd­ings wesentlich dafür ver­ant­wortlich sein, dass der Schlagintweit‘schen Expe­di­tion der wis­senschaftliche Erfolg let­ztlich ver­sagt blieb. Die Über­fülle der gesam­melten Dat­en und Objek­te ließ sich von den bei­den Über­leben­den – der Brud­er Adolph, gewiss der begabteste der drei Forsch­er, wurde 1857 in Kash­gar ermordet – nicht mehr dem Stand der Wis­senschaft gemäß ver­ar­beit­en. Im Zuge der begin­nen­den Spezial­isierung der naturkundlichen Fäch­er erwies sich eine par­al­lele Beherrschung der vielfälti­gen Entwick­lun­gen und method­is­chen Neuan­sätze als nicht mehr möglich, von der ver­ständlichen Präsen­ta­tion ganz zu schweigen. Die auf neun Bände angelegte Pub­lika­tion der „Results of a sci­en­tif­ic Mis­sion to India and High Asia“ blieb auf halbem Wege steck­en. Als Repräsen­tan­ten ein­er ver­al­teten Wis­senschafts-Konzep­tion ver­schwan­den die Brüder bald aus dem Ram­p­en­licht; ihre Samm­lun­gen wur­den aufgelöst. Zum Scheit­ern ihrer Lebensen­twürfe tru­gen freilich auch die poli­tis­chen Umstände in Preußen und Großbri­tan­nien, per­sön­liche Unglücks­fälle sowie das undiplo­ma­tis­che, an Hochstapelei gren­zende Ver­hal­ten der über­leben­den Brüder in gerüt­tel­tem Maße bei. Diese Män­ner waren keine Mär­tyr­er ihrer Wissenschafts-Disziplinen.

Her­mann und Adolph Schlag­in­tweit, Söhne eines erfol­gre­ichen Münch­n­er Auge­narztes, waren nach der Pro­mo­tion zum Geo­graphen bzw. Geolo­gen und Physik­er in München 1849 nach Berlin gegan­gen, ins deutsche Zen­trum der sich her­aus­bilden­den geowis­senschaftlichen Diszi­plinen, und hat­ten dort Fuß zu fassen ver­sucht. Sie hat­ten bere­its als Schüler Zeich­nen und Malen gel­ernt, früh die Alpen ent­deckt und dort den Umgang mit Messin­stru­menten und neuen wis­senschaftlichen Meth­o­d­en erprobt. Her­mann und Adolf hat­ten bei ein­er gemein­samen Bestei­gung des Monte Rosa im August 1851 ihr Kön­nen als Berg­steiger bewiesen; sie waren mit Abhand­lun­gen über die Alpen her­vor­ge­treten. Hum­boldt war von den prak­tis­chen Fähigkeit­en und dem Scharf­blick der Brüder begeis­tert und stellte sie Friedrich Wil­helm IV. von Preußen vor. Der König fand 1852 Gefall­en am Pro­jekt ein­er Expe­di­tion in den Himalaya, dem uner­füll­ten Leben­straum Hum­boldts, der von den vielver­sprechen­den jun­gen Män­nern an sein­er Statt real­isiert wer­den sollte.

Allerd­ings wollte der preußis­che Kul­tus­min­is­ter Karl Otto von Raumer dem Enthu­si­as­mus seines Monar­chen nicht fol­gen und ver­weigerte die Finanzierung ein­er Expe­di­tion bay­erisch­er Wis­senschaftler. Über Karl Josias [von] Bun­sen, den preußis­chen Gesandten in Lon­don, nah­men Hum­boldt und der König daher Kon­takt zur britis­chen Ostindis­chen Kom­pag­nie (EIC) auf und ver­mocht­en diese zu überzeu­gen, dass die Brüder Schlag­in­tweit bestens qual­i­fiziert seien zur Fort­führung ein­er unvol­len­de­ten wis­senschaftlichen Arbeit: der Kartierung des ter­restrischen Mag­net­ismus im britis­chen Herrschafts­ge­bi­et auf dem indis­chen Sub­kon­ti­nent, die 1849 zum Erliegen gekom­men war. Der preußis­che König ver­sprach, sich an den Kosten der Expe­di­tion zu beteili­gen. Offen­bar beein­druckt von so hoher Pro­tek­tion, nahm die EIC die Brüder in ihren Dienst – ohne Rück­sicht auf die Kri­tik britis­ch­er Wis­senschaftler, die sich hin­ter „Aus­län­dern“ zurück­ge­set­zt fühlten und auch die Qual­i­fika­tion der Erko­re­nen anzweifel­ten. Die Ini­tia­tive zu der Auf­tragsver­gabe an die Schlag­in­tweit ging ein­deutig von Berlin aus. Ohne kon­stante Unter­stützung durch das Per­son­al der EIC und ohne eine große Gruppe von ein­heimis­chen Mitar­beit­ern aber hät­ten die Brüder ihre aus­gedehn­ten, schon logis­tisch anspruchsvollen Reisen – sie reis­ten zumeist auf getren­nten Routen – freilich nicht zu bewälti­gen vermocht.

Unter­stützt wur­den Her­mann und Adolph durch den frisch pro­movierten jün­geren Brud­er Robert, der in let­zter Stunde zur Expe­di­tion hinzustieß. Ihren eigentlich eng begren­zten Auf­trag weit­eten die Brüder teils mit Zus­tim­mung der EIC, teils aber eigen­mächtig aus. Dem ursprünglichen Berlin­er Pro­jekt gemäß galt ihr Inter­esse eher den Hochge­bir­gen als der Fläche des Sub­kon­ti­nents. Neben Mag­net­ismus, Geolo­gie und Geo­gra­phie erkun­de­ten sie auch Flo­ra und Fau­na, Eth­nolo­gie und Anthro­polo­gie der bereis­ten Gebi­ete, strebten also im Humboldt‘schen Sinne nach voll­ständi­ger Erfas­sung von Gestalt, Geschichte und Lebens­for­men. Die Gele­gen­heit zur Bere­icherung der Berlin­er Museen erken­nend, hat­ten Hum­boldt und Bun­sen bere­its vor­ab die Möglichkeit sondiert, Dou­blet­ten aus evtl. anzule­gen­den Samm­lun­gen nach Berlin abzugeben. Am Ende bracht­en Her­mann und Robert 1857 gut 500 Kisten voller Nat­u­ralien und Arte­fak­te mit nach Europa.

Ihr inno­v­a­tiv­er Ver­such, damit in Berlin ein eigen­ständi­ges indis­ches Muse­um zu erricht­en, wurde jedoch vom preußis­chen Kul­tus­min­is­teri­um abgelehnt: Eine solche Ein­rich­tung fördere allein die Schaulust des Pub­likums, nicht aber die Wis­senschaft! Im Ver­lauf dieser Ver­hand­lun­gen diskred­i­tierten die Brüder sich dauer­haft und fan­den auch keine neuen Für­sprech­er, als Friedrich Wil­helm IV., Hum­boldt und Bun­sen nacheinan­der von der Bühne abtrat­en. Erst mit der Grün­dung des Berlin­er Völk­erkun­de­mu­se­ums 1874 näherte Preußen sich dem Schlagintweit‘schen Konzept an.

Zu diesem Zeit­punkt hat­te die Auflö­sung der Samm­lun­gen, mit denen die 1859 durch König Max II. von Bay­ern gead­el­ten Brüder 1860 nach Schloss Jägers­burg bei Forch­heim aus­gewichen waren, bere­its begonnen. Nach 1860 wurde die wis­senschaftliche Bear­beitung, deren Rah­men die Schlag­in­tweit weit ges­pan­nt und deren Zeitaufwand sie gröblich unter­schätzt hat­ten, nicht mehr von der EIC finanziert und es fand sich kein neuer Mäzen. Die Brüder fie­len in den Sta­tus von Pri­vat­gelehrten zurück; die Last des Unter­halts der Samm­lun­gen und des standes­gemäßen Auftretens als Adelige und Schloss­be­sitzer wurde drück­ender und darüber schwand die Moti­va­tion zum Weit­er­ar­beit­en. Offen­bar hat­ten die Ord­nung des Mit­ge­bracht­en und die Her­stel­lung muse­al­er Rep­liken zu viel Zeit und Ressourcen von der Erledi­gung der wis­senschaftlichen Ker­nauf­gaben abge­zo­gen. Es lässt sich zudem nicht überse­hen, dass die Brüder beim Ver­such, aus der Expe­di­tion Gewinn für ihren sozialen Auf­stieg zu schla­gen, den Bogen überspan­nt hat­ten. Die Pub­lika­tio­nen stock­ten ab 1866. Her­mann v. S. lebte schließlich in München von einem Gnadenge­halt König Lud­wigs II., Robert v. S. in Gießen als außeror­dentlich­er Pro­fes­sor für Geo­gra­phie von ein­er aus­gedehn­ten Vor­tragstätigkeit; bei­de blieben unver­mählt. Die Jägers­burg wurde zur finanziellen Belas­tung. Ihr Verkauf gelang erst 1890 dem Erben, dem jüng­sten Brud­er Emil Schlag­in­tweit (1835 – 1904). Der löste den Rest der Samm­lun­gen auf.

Im 20. Jahrhun­dert war der Ruf der Brüder Schlag­in­tweit fast nur noch bei Alpin­is­ten lebendig, näm­lich als wage­mutige Berg­steiger in den Alpen und im Himalaya. Ein wis­senschaftlich­er Neuansatz in der Beschäf­ti­gung mit ihren Forschun­gen und Samm­lun­gen wurde 2012 angeregt durch eine hochherzige Schenkung der Fam­i­lie Schlag­in­tweit, die dem Alpinen Muse­um in München etwa 200 Land­schaft­sze­ich­nun­gen und Aquarelle über­ließ, welche Her­mann und Adolph Schlag­in­tweit auf ihrer Expe­di­tion ange­fer­tigt hat­ten. Der Wun­sch, dieses Mate­r­i­al mit ein­er Ausstel­lung bekan­nt zu machen (Alpines Muse­um München, 19. 3. 2015 – 10. 1. 2016), war Anlass für eine neuer­liche und wei­thin erst­ma­lige Auseinan­der­set­zung mit der wohl aufwendig­sten Forschungsreise deutsch­er Wis­senschaftler nach Asien im 19. Jahrhun­dert. Im Fokus standen dabei die Hin­ter­gründe und die Ziele der Expe­di­tion, die Diskrepanz zwis­chen dem Anspruch ein­er­seits und der unvol­len­de­ten wis­senschaftlichen Aufar­beitung ander­er­seits, sowie das weit­ere Schick­sal der Samm­lun­gen, Zeich­nun­gen und Pho­togra­phien, die in einem jahre­lan­gen Ausverkauf weit ver­streut wor­den waren. Aus den Akten im Geh. Staat­sarchiv in Berlin sowie aus dem Nach­lass in der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek München (BSB) ergaben sich wesentliche Kor­rek­turen am bish­eri­gen älteren Forschungs­stand. Die wichtig­sten Ergeb­nisse sind doku­men­tiert in der Begleit­pub­lika­tion (Brescius / Kaiser, 2015). Anlässlich der Ausstel­lung ver­anstal­tete die Abteilung Glazi­olo­gie der Bay­erischen Akademie der Wis­senschaften ein Sym­po­sium (22./23. 4. 2015), das unter anderem nach der aktuellen Rel­e­vanz der Schlagintweit´schen Forschun­gen fragte.

Die Expe­di­tion der Brüder Schlag­in­tweit ist heute nicht nur ein wis­senschaft­shis­torisches Beispiel für Forschungsreisen in einem frühkolo­nialen Kon­text. Auf­grund der zeitlichen Dis­tanz ermöglicht das erhal­tene Mate­r­i­al vielmehr neue Erken­nt­nisse, trotz aller Ver­luste und Unzulänglichkeit­en. Obwohl von den Zeitgenossen bald für ver­al­tet gehal­ten, sind die präzisen Karten, Zeich­nun­gen und Mes­sun­gen, aber auch die naturgeschichtlichen Prä­parate heute für neue wis­senschaftliche Fra­gen von Wert. Der Schlag­in­tweit-Nach­lass öffnet ein Fen­ster in die Ver­gan­gen­heit, das für die Glazi­olo­gie und die Mete­o­rolo­gie, aber auch für Botanik und Zoolo­gie hohe Bedeu­tung besitzt. (Vgl. z.B. Kick 1967; Kick 1993; Gemel/Haring 2011; Dick­o­ré 2015; May­er 2015; Nüss­er 2015.) Auch die aktuellen sozial­geo­graphis­chen Gren­zraum­forschun­gen (Bor­der­land Stud­ies) find­en hier wesentliche Bezugspunkte.

Die wissenschaftlichen Aufzeichnungen

Im Fol­gen­den wird ver­sucht, einen sum­marischen Überblick über das bish­er aufge­fun­dene Mate­r­i­al zu geben (Stand 2024). Es ist nach Sach­grup­pen und inner­halb dieser nach den Erwer­bungs­dat­en geordnet.

Arbeitsmaterial und Korrespondenz

Der erhal­tene Teil der Aufze­ich­nun­gen von der Expe­di­tion und ein großer Teil des Briefwech­sels der Brüder wird in der Abteilung „Nach­lässe“ der Hand­schriften­abteilung der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek München (BSB) ver­wahrt. Der Bestand mit ca. 17,5 Regal­me­tern ist durch ein Find­buch sowie ein (gekürztes!) gedruck­tes Nach­lassverze­ich­nis erschlossen (Büch­ler / Schu­mach­er 1990).

Her­mann v. S.s pri­vater schriftlich­er Nach­lass wurde nach seinem Tode 1882 von seinen Brüdern Robert und Emil makuliert. Dabei sind offen­bar die Kor­re­spon­denz mit Kol­le­gen sowie Samm­lun­gen ver­loren gegangen.

Zeichnungen und Aquarelle

Auf die von ihm und Adolph geschaf­fe­nen Land­schafts­darstel­lun­gen aus Indi­en und Asien war Her­mann v. S. beson­ders stolz. Er erhob den Anspruch, mit der wahrheits­gemäßen Darstel­lung der Land­schaft als Kün­stler zu arbeit­en. Ins­ge­heim aber ließ er, wie bei der Ausstel­lung 2015 ent­deckt wurde, einen Großteil der Blät­ter von ver­sierten Münch­n­er Land­schafts­malern über­ar­beit­en oder umze­ich­nen, um sie attrak­tiv­er zu machen. Er plante auch eine kolo­ri­erte pho­tographis­che Pub­lika­tion aller Zeich­nun­gen, die jedoch abge­brochen wer­den musste. Ehe die Blät­ter – in vie­len Fällen die früh­este oder einzige Abbil­dung der jew­eili­gen Sit­u­a­tion – heute als geo­graphisch getreue Wieder­gaben bew­ertet wer­den, muss somit jew­eils über­prüft wer­den, ob das Blatt als authen­tisch gel­ten kann.

Auf der Expe­di­tion ent­standen etwa 750 Land­schaft­sze­ich­nun­gen und ‑Aquarelle. Den ursprünglichen Bestand hat­te Her­mann v. S. in ein­er gedruck­ten Liste erfasst („Gen­er­al Reg­is­ter“; Exem­plare im Nach­lass in der BSB). Von ihm wer­den heute 190 Blät­ter in der staatlichen Graphis­chen Samm­lung München ver­wahrt und 193 Blät­ter im Alpinen Muse­um München (davon 34 Pausen und Skizzen; alle ein­se­hbar über die Daten­bank des „His­torischen Alpe­nar­chivs“ (http://www.historisches-alpenarchiv.org). Einige wenige Blät­ter befind­en sich in Privatbesitz.

Die zu den meis­ten Blät­tern gehören­den sog. „Explana­to­ries“ – in der Regel skizzen­hafte Wieder­hol­un­gen mit Ein­tra­gung von Mess­dat­en und Beobach­tun­gen – befind­en sich gebun­den im Nach­lass der Brüder in der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek München. Der Bestand ist unvoll­ständig. Zu den Zeich­nun­gen vgl. die Konko­r­danz (Klei­dt 2015 c) und die Aus­führun­gen bei Klei­dt (2015 b).

Her­mann v. S. plante 1859 eine kolo­ri­erte Pho­to-Edi­tion der Zeich­nun­gen bei Joseph Albert in München. Das Pro­jekt wurde wohl wegen der Unzulänglichkeit der Kolo­rierung abge­brochen; 87 Motive liegen heute in der Staats­bib­lio­thek Bam­berg (Samm­lun­gen des His­torischen Vere­ins, HVG 47/19–182). Ersatzweise erschien bei Brock­haus 1860 ein Album von besser­er Far­bqual­ität mit 28 Fotos, von dem aber nur ein Exem­plar bekan­nt ist (BSB, Schlag.iana IV.1). Die Fotos wer­den gele­gentlich für Orig­i­nalze­ich­nun­gen der Brüder gehalten.

Karten

Umfan­gre­ich­es Karten­ma­te­r­i­al von der Expe­di­tion liegt teils im Nach­lass, teils in der Karten­samm­lung der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek München.

Naturalien und Artefakte

Die von den Brüdern während ihrer Reisen zusam­menge­tra­ge­nen Samm­lun­gen waren von der EIC finanziert wor­den und somit deren Eigen­tum. Um die wis­senschaftliche Bear­beitung durch die Schlag­in­tweit zu erle­ichtern, hat­te die EIC ein­er tem­porären Über­führung nach Berlin zuges­timmt, jedoch mit der Maß­gabe, bear­beit­ete Teile sukzes­sive nach Lon­don zurück­zubrin­gen. Das scheint aber nur mit ein­er ersten Sendung von 1859 geschehen zu sein, da sich mit der Ablö­sung der EIC durch das staatliche India Office die Inter­essen des India Muse­ums ver­schoben. Nach­dem die Brüder 1860 mit dem gesamten Samm­lungs­be­stand aus Berlin auf die Jägers­burg bei Forch­heim aus­gewichen waren, ver­fügten sie spätestens ab 1862 über die Objek­te wie ihr Eigen­tum. Ein Doku­ment, das die Abtre­tung der britis­chen Eigen­tum­sansprüche an die Brüder Schlag­in­tweit bestäti­gen würde, ist bish­er unbekan­nt. (Zu den Samm­lun­gen generell vgl. Klei­dt 2015 a).

Zur wis­senschaftlichen Auswer­tung der natur­wis­senschaftlichen Samm­lun­gen zog Her­mann v. S. nach dem Tode des Brud­ers Adolph ver­schiedene Fach­wis­senschaftler her­an. Er selb­st hat die „Beiträge zur sys­tem­a­tis­chen Bear­beitung des naturgeschichtlichen Mate­ri­als in den v. Schlag­in­tweitschen Samm­lun­gen“ im Almanach der Kgl. Bay­er. Akademie der Wis­senschaften für das Jahr 1875, S. 267–268 aufge­lis­tet (sieben botanis­che Beiträge, zwei zool­o­gis­che und je einen zu paläon­tol­o­gis­chen und min­er­al­o­gis­chen Fra­gen). Im Almanach 1878 ist die Liste um einen Beitrag zur botanis­chen Samm­lung erweit­ert (Almanach 1878, S. 144–149).

Botanische Sammlungen / Herbarien

Infolge Tauschs mit anderen botanis­chen Samm­lun­gen sind einzelne Herbar­belege der Brüder Schlag­in­tweit heute in vie­len Insti­tu­tio­nen nach­weis­bar (vgl. Dick­o­ré 2015).

1858/1859 London, India Museum

Im Zuge der Rück­führung bear­beit­eter Objek­te an die EIC wur­den etwa 600 Herbar­belege an das India House abgegeben. Nach der Auflö­sung des India Muse­ums 1879 gelangten die Pflanzen über das British Muse­um schließlich an das Nat­ur­al His­to­ry Muse­um in London.

1868 Schweinfurt, Stadtarchiv

Im Nach­lass des botanisch inter­essierten Pfar­rers Friedrich Emmert liegen 60 unbes­timmte Herbar­belege, die Robert v. S. 1868 Emmert geschenkt hat (NL Friedrich Emmert, Nat. Fol. 76/1).

London, Natural History Museum

Das British Muse­um über­nahm 1879 offen­bar die naturkundlichen Bestände des India Muse­um und erwarb zusät­zlich 1886 und 1900 von Pri­vat eine große Zahl von Bele­gen aus dem Schlagintweit’schen Herbar. Dieses Mate­r­i­al — ins­ge­samt 2050 Belege — befind­et sich heute im Nat­ur­al His­to­ry Muse­um, ist dort aber in das Gesamtherbar­i­um eingegliedert.

1883 München, Botanische Staatssammlung

1883 erhielt der Botanis­che Garten 600 Pflanzen­prä­parate für sein Herbar­i­um geschenkt. Das Mate­r­i­al wurde in die sys­tem­a­tis­che Ord­nung der Herbar­belege eingefügt.

1885 Berlin, Botanisches Museum

1885 Ankauf von 788 Herbar­bele­gen, 1943 voll­ständig kriegszerstört.

Zoologische Sammlungen

1858/1859 London, ehem. India Museum

Im Zuge der Rück­führung bear­beit­eter Objek­te an die EIC wur­den aus­gestopfte Tiere, Rep­tilien und Fis­che in Spir­i­tus in unbekan­nter Anzahl, Samen­proben und etwa 550 Baum­ab­schnitte sowie 1.200 Boden­proben in Gläsern an das India House übergeben. Der Verbleib ist ungeklärt.

1862 München, Zoologische Staatssammlung

1862 erwarb die Samm­lung von den Brüdern Schlag­in­tweit etwa 40 Säugetier­pä­parate, 10 Tierskelette, 421 Vogel­bälge, 13 Schild­kröten­panz­er, ca. 500 Spir­i­tus­prä­parate von Süßwasser­fis­chen aus Tibet und dem Himalaya sowie 18 Gläs­er mit Reptilien.

Im II. Weltkrieg gin­gen u. a. alle Fis­ch­prä­parate ver­loren. Einzel­nach­weise des Erhal­te­nen sind nur aus­nahm­sweise möglich, so bish­er für 8 Spir­i­tus­prä­parate von Rep­tilien, 8 Schild­kröten, 19 Vogel­bälge, 1 Skelett eines kleinen Pan­da. Nach der Münch­n­er Ausstel­lung 2015 kon­nte ein großes Wasser­büf­fel­ge­hörn aus den Samm­lun­gen der Schlag­in­tweit, das auf der Burg Gleiberg bei Gießen ver­wahrt war, in die Zool­o­gis­che Staatssamm­lung München eingegliedert werden.

1862 Darmstadt, Hessisches Landesmuseum

1862 wur­den aus­gestopfte Tiere, Schädel, Gehörne, Felle, Vogel­bälge und Tier­prä­parate in Spir­i­tus sowie eine Schmetter­lingssamm­lung an das damals Großher­zogliche Muse­um abgegeben. Für Samm­lun­gen aus der Zeit vor 1870 existiert in Darm­stadt keine Doku­men­ta­tion, so dass die Prove­nienz von Altbestän­den nicht mehr nachvol­lziehbar ist. Möglicher­weise sind dort noch Schlagintweit’sche Prä­parate vorhanden.

1882 Nürnberg, Naturhistorische Gesellschaft (Norishalle)

Nach der Schließung der Ausstel­lung auf der Nürn­berg­er Burg 1882 ließen Robert und Emil S. die dor­tige zool­o­gis­che Samm­lung in Nürn­berg ver­steigern. Die Naturhis­torische Gesellschaft erwarb nicht näher benan­nte Tier­prä­parate, eine Kollek­tion Vögel sowie Con­chilien. Sie sind gegen­wär­tig nicht nachzuweisen.

1883 Berlin, ehem. Landwirtschaftliches Museum

Emil S. verkaufte sechs (nicht näher beze­ich­nete) Tierskelette an Prof. Alfred Nehring, zuständig für das Muse­um der „Königlichen Land­wirth­schaftlichen Hochschule zu Berlin“ (heute: Albrecht Daniel Thaer Insti­tut für Agrar- und Garten­bauwis­senschaften der Hum­boldt-Uni­ver­sität Berlin). Der Verbleib ist ungewiss.

1886 Braunschweig, Staatliches Naturhistorisches Museum

1886 erwarb das Her­zogliche Naturhis­torische Muse­um Braun­schweig von Emil S. ca. 20 Tierskelette und Schädel. Von den 11 im Inven­tar verze­ich­neten Skelet­ten sind derzeit 7 nachweisbar.

1894/95 Stuttgart, Staatliches Museum für Naturkunde (ehem. K. Naturalienkabinet)

Ankauf von Mol­lusken. „Gekauft wurde eine von Schlag­in­tweit gesam­melte Kollek­tion von 197 sp. [species] mit 400 Exem­plaren, von welchen einige Süss­wasser­mol­lusken aus dem Himalayage­bi­et her­vorzuheben sind,…“ (Jahreshefte des Vere­ins für vater­ländis­che Naturkunde Würt­tem­berg, Bd.52, 1896, S. 406). Kriegsver­luste der Samm­lun­gen und Ver­luste älter­er Inven­tar- und Ankaufs­büch­er sowie noch nicht voll­ständig in der Daten­bank erfasste Samm­lungs­bestände lassen keine gesicherte Aus­sage über den Verbleib zu.
Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass noch Mol­lusken aus den Samm­lun­gen der Brüder Schlag­in­tweit vorhan­den sind.

Mineralien, Paläontologie

Die über­wiegend wohl von Adolph S. gesam­melten Min­er­alien, Boden­proben und Ver­steinerun­gen – Emil S. bez­if­ferte sie später auf fast 10.000 Stücke – sind nur noch zum kle­in­sten Teil nach­weis­bar. Mit dem frühen Tode des Geolo­gen gin­gen seine Ein­sicht­en ver­loren; die Kri­te­rien der Auswahl der Proben waren undeut­lich und deren Beschrif­tung offen­bar unvol­lkom­men. Die über­leben­den Brüder kon­nten zwar die Ver­steinerun­gen aus­son­dern und großen­teils bes­tim­men lassen, fan­den aber keinen kom­pe­ten­ten Fach­mann für die Klas­si­fizierung der großen Menge. Vielle­icht deshalb wandte Her­mann sich an den renom­mierten Bon­ner Min­er­alien­händler August Krantz, dem er auch die bei­den ein­schlägi­gen Bände der Schlagintweit’schen Beobach­tungs­man­uskripte überließ.

1858/1859 London, India Museum

Im Zuge der Rück­führung bear­beit­eter Objek­te an die EIC kamen auch Min­er­alien in das India House; nach dessen Auflö­sung 1879 gelangten sie ins Min­er­alien-Kabi­nett des Britis­chen Muse­ums. Wegen fehlen­der Etiket­tierung war dieser Bestand nicht wis­senschaftlich zu erschließen und wurde nach 1900 ver­mut­lich entsorgt.

um 1863 München, Paläontologische Staatssammlung

Wohl nach der Bes­tim­mung eines Teils der Ver­steinerun­gen erwarb der Bear­beit­er Albert Oppel 20 – 30 Ammoniten und Belem­niten, darunter den Holo­typ des nach Adolph Schlag­in­tweit benan­nten „Ammonites Adol­phi Opp.“, sowie krei­dezeitlich­es Mate­r­i­al für die Münch­n­er Sammlung.

Datum ?, Bonn, Mineralienkontor August Krantz

Der Haupt­teil der Min­er­alien­samm­lun­gen wurde bere­its von Her­mann v. S. dem Rheinis­chen Min­er­alien­comp­toir Dr. A. Krantz, Bonn, in Kom­mis­sion gegeben. Robert und Emil gaben um 1882 wohl auch den Rest sowie einige Vögel dor­thin ab. 1887 wur­den die – offen­bar beträchtlichen – unverkäu­flichen Reste der Min­er­alien als „wert­los­es Geröll“ entsorgt. Die Beobach­tungs­man­uskripte waren nicht mehr nachweisbar.

Ethnographische Sammlungen

Her­mann v. S. hoffte lange, es werde gelin­gen, den wertvollen ethno­graphis­chen Teil der Samm­lun­gen ins­ge­samt in einem Muse­um unterzubrin­gen. Er hand­habte die Abgabe von Orig­i­nalen daher restrik­tiv, bis er um 1880 in ern­ste finanzielle Schwierigkeit­en geri­et und einen Verkauf nach Berlin ins Auge fassen musste.

1858/1859 London, India Museum

Im Zuge der Rück­führung bear­beit­eter Objek­te an die EIC erhielt das India House Gegen­stände des bud­dhis­tis­chen Kul­tus sowie einen Satz Kopi­en der in Hemis (Ladakh) erwor­be­nen tibetis­chen Tanz­masken. 70 Papi­er- und 281 Tex­til­proben aus während der Expe­di­tion bereis­ten Gebi­eten befind­en sich heute in der British Library London.

1859 Leiden, Rijksmuseum Volkenkunde

Nach der Thro­nentsa­gung Friedrich Wil­helms IV. von Preußen ver­anstal­teten die Brüder Schlag­in­tweit, gewiss auf der Suche nach einem neuen Mäzen, 1859 und 1860 eine Art Wer­beak­tion bei den ‚auswär­ti­gen‘ Mächt­en, die in Per­son­alu­nion über deutsche Ter­ri­to­rien herrscht­en und insofern zum ‚Deutschen Bund‘ gehörten. Sie über­sandten den Köni­gen der Nieder­lande, von Däne­mark und von Han­nover jew­eils einen Satz Kopi­en der tibetis­chen Tanz­masken aus Hemis sowie einige kleinere Orig­i­nale bzw. Repro­duk­tio­nen. Die König Wil­helm III. nach den Haag über­sandten Masken-Kopi­en sowie 5 kleine tibetis­che Objek­te wur­den dem Muse­um in Lei­den überlassen.

1859 Hohenheim, Deutsches Landwirtschaftsmuseum

Wohl im Rah­men ihrer Wer­beak­tion schenk­ten die Brüder Schlag­in­tweit dem König von Würt­tem­berg 20 land­wirtschaftliche Geräte aus ihren Samm­lun­gen, die an die Land­wirtschaftliche Akademie in Hohen­heim weit­erg­ere­icht wur­den. Nach­weis­bar sind dort heute noch 2 Mess­er der Abor und Jain­tas, 2 Sicheln, 1 Gartengerät, Mod­elle von Pflü­gen nach orig­i­nalen Geräten (let­ztere Stand 2015 nicht auffindbar).

1860 Kopenhagen, Nationalmuseet

Die nach Kopen­hagen über­sandten Masken-Kopi­en und eine Gebetsmüh­le gehören heute dem National­mu­se­um in Kopen­hagen. Vgl. den Ein­trag zu Leiden.

1860 Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum

Die nach Han­nover gesandten Masken, einige Spielka­rten­rep­likate sowie eine Gesichtsab­for­mung in Gips wer­den heute im Nieder­säch­sis­chen Lan­desmu­se­um ver­wahrt. Vgl. den Ein­trag zu Leiden.

1862 ? Jena, Universität

Großher­zog Carl Alexan­der von Sach­sen-Weimar erhielt spätestens 1862 von den Brüdern Schlag­in­tweit „4 nicht kleine Kisten“ mit geo­graphisch-eth­nol­o­gis­chen Gegen­stän­den, deren Über­gabe an die Uni­ver­sität Jena als Grund­stock eines eth­nol­o­gis­chen Muse­ums ab 1863 ver­han­delt wurde (Uni­ver­sität­sarchiv Jena, Bestand C Nr. 801, 803; Bestand B.A. Nr. 865). Die Akten geben eine unge­fähre Vorstel­lung vom Inhalt: Lanzen und Bögen, Kostümteile, musikalis­che Instru­mente, religiöse Drucke und Fig­uren, Abfor­mungen von Mani-Steinen, sowie [Mod­elle von] Häusern und Schif­f­en. Nach dem Ende der Monar­chie wurde das Muse­um aufgelöst. Die ethno­graphis­chen Objek­te wur­den in den 1920er Jahren offen­bar an die Ham­burg­er Ethno­graph­i­ca-Hand­lung Umlauff verkauft; ein Teil davon gelangte in das Ham­burg­er Muse­um für Völk­erkunde. Möglicher­weise befan­den sich unter den Jenenser Objek­ten auch die Rep­liken der tibetis­chen Tanz­masken, die von der Fir­ma Umlauff in min­der­er Qual­ität in Gips repro­duziert wur­den (vgl. Dres­den). Das Jenenser Muse­um wurde in der NS-Zeit wieder­hergestellt, jedoch mit dem neuen Schw­er­punkt Vor- und Frühgeschichte. Ob es danach noch Schlagintweit’sche Ethno­graph­i­ca besaß, ist nach dem Ver­lust der Akten unklar.

Datum ? Gießen, Oberhessisches Museum

Wider­sprüch­liche Aus­sagen lassen ver­muten, dass durch Robert v. S. (seit 1864 außeror­dentlich­er Pro­fes­sor für Geo­gra­phie an der Uni­ver­sität Gießen) ethno­graphis­che Objek­te von der Expe­di­tion der Brüder in die Samm­lung Wil­helm Gail gekom­men sind und mit dieser 1925 in das Ober­hes­sis­che Muse­um übergin­gen. Die Muse­umsver­wal­tung ver­weigerte dazu jede Stellungnahme.

1881, 1884 Berlin, Ethnologisches Museum

Die preußis­chen Museen inter­essierten sich nach einem Hin­weis des in Würzburg und Berlin täti­gen Arztes, Patholo­gen und Anthro­polo­gen Rudolf Vir­chow von 1874 für den Ankauf von Teilen der Schlagintweit’schen Samm­lun­gen für das neue Muse­um für Völk­erkunde. Als beson­ders begehrenswert erschienen die Objek­te aus dem tibetis­chen Kul­turkreis, „die bish­er wohl sel­tener als die indis­chen nach Europa gekom­men sind“. Der Ankauf in zwei Tranchen kam jedoch erst 1881 und 1884 zus­tande (Akten im Archiv des Muse­ums). Den Ein­trä­gen in den hand­schriftlichen Bestand­skat­a­lo­gen zufolge han­delte es sich um etwas mehr als 500, allerd­ings aus­ge­suchte Objek­te. Die Inven­tarisierung wurde wahrschein­lich von dem aus München stam­menden Indolo­gen und Tibetolo­gen Albert Grün­wedel vorgenom­men, der ab 1881 als Assis­tent am Berlin­er Eth­nol­o­gis­chen Muse­um tätig war.

In der Daten­bank des Muse­ums sind zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt knapp über 500 Objek­te mit der Herkun­ft aus den Samm­lun­gen Schlag­in­tweit verze­ich­net mit den Identifikationen

I = Muse­um für Asi­atis­che Kun­st; IB = Zen­tralasien; IC = Südostasien; ID = Ostasien.

Bei etwa 100 Objek­ten fehlt gegen­wär­tig ein Stan­dortver­merk, was auf einen Ver­lust im II. Weltkrieg deuten kann. Zu den bedauer­lich­sten Ver­lus­ten zählen die fünf Masken für den lamais­tis­chen Cham-Tanz, die Her­mann v. S. im Kloster Hemis (Ladakh) erwor­ben hat­te und die er als die zen­tralen Objek­te sein­er Samm­lung betra­chtete (dazu Klei­dt 2016/2017).

1859, 1865/66, 1880, 1883/84 München, Museum Fünf Kontinente

Den Münch­n­er Museen – zunächst den Vere­inigten Samm­lun­gen, dann dem 1862 gegrün­de­ten Muse­um für Völk­erkunde – waren die Brüder Schlag­in­tweit seit ihrer Nobil­i­tierung durch Max­i­m­il­ian II. in beson­der­er Weise verpflichtet; es kam schon seit 1859 zu ver­schiede­nen kleineren Ankäufen. Das nach 1885 erstellte Inven­tar der aus den Schlagintweit’schen Samm­lun­gen erwor­be­nen ethno­graphis­chen Objek­te zählt 931 Num­mern. Dabei waren 80 Stücke der „Ethno­graphis­chen Racen­typen“ (erwor­ben 1865/66), die gegen­wär­tig nicht nach­weis­bar sind.

Wegen geringer Kriegsver­luste des Muse­ums ist davon auszuge­hen, dass der größte Teil dieser Ankäufe noch vorhan­den ist. Die Objek­te sind den ver­schiede­nen regionalen oder Sach­abteilun­gen der Depotbestände zugeordnet.

1925 Dresden, Staatliche Ethnographische Sammlungen, Standort Dresden

Sechs Repro­duk­tio­nen tibetis­ch­er Masken, erwor­ben von Umlauff 1925, Inv.Nrn. 41006 – 41010, 41012. Vgl. den Ein­trag zu Jena.

1926 Hamburg, Museum für Völkerkunde

6 tibetis­che Masken­re­pro­duk­tio­nen, erwor­ben von Umlauff 1926, Inv.Nrn. 26.3:1–6 bzw. 2001.218:3. Vgl. den Ein­trag zu Jena.
Zu dieser Erwer­bung gehören eben­falls 9 repro­duzierte Abdrücke von Holz­druck­stöck­en der Schlagintweit‘schen Sammlung.

Anthropologie

Die Erforschung der auf dem indis­chen Sub­kon­ti­nent ansäs­si­gen Völk­er und Stämme, ins­beson­dere von Gemein­schaften von Ure­in­wohn­ern, die vor der Ein­wan­derung der so genan­nten Aryas in den Gebi­eten lebten, stand schon bei der Abreise 1854 auf dem Arbeit­spro­gramm der Schlag­in­tweit. (Zu Aryas vgl. Kulke/Rothermund 2010, S. 45). Zunächst glaubten sie in Anlehnung an zeit­genös­sis­che europäis­che The­o­rien, den Kör­per­bau der ver­schiede­nen Eth­nien anhand detail­liert­er Mes­sun­gen typ­isieren zu kön­nen (Lis­ten der Dat­en von etwa 400 Indi­viduen liegen im Nach­lass in der BSB München). Robert v. S. hat­te sich vor Antritt der Expe­di­tion eigens in Brüs­sel mit dem damals führen­den Sta­tis­tik­er Adolphe Quetelet berat­en. Die Ver­mes­sung von Indi­viduen nah­men die Brüder teil­weise auch an Gefan­genen des Ali­pore Gefäng­niss­es in Kalkut­ta (Kolkata) vor.

Der Ver­such, men­schliche Schädel und Skelette als Orig­i­nal­ma­te­r­i­al zu sam­meln, erwies sich wegen der bei den Hin­dus üblichen Leichen­ver­bren­nung als schwierig. Nach eigen­er Angabe bracht­en die Schlag­in­tweit etwa 20 Skelette und 54 Schädel mit nach Europa. Eine Rei­he von Skelet­ten erhielt Her­mann v. S. von Dr. Webb, dem Vor­stand des Native-Hos­pi­tals zu Kalkut­ta (Kolkata) aus dem anatomis­chen Muse­um des Hos­pi­tals. (Reisen 1869, S. 234)

Weit­er­hin berichtet er von der Abnahme eines Gehängten von einem Gal­gen in Kash­mir durch einen Helfer und von der Bergung von Choler­a­toten, die wegen der Ansteck­ungs­ge­fahr in eine Schlucht gewor­fen wor­den waren. (Reisen 1869, S. 549; Reisen 1871, S. 428)

1883 Frankfurt, Senckenberg Naturmuseum

Von den orig­i­nalen men­schlichen Über­resten wur­den die Skelette und 12 Schädel 1883 an die Senck­en­ber­gis­che Natur­forschende Gesellschaft verkauft, bei der sich ein Mitar­beit­er für Anthro­polo­gie inter­essierte. Der Verbleib ist ungewiss; das Muse­um erteilte dazu keine Auskunft.

1886 Berlin, Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte

Auf Ini­tia­tive des Vere­insvor­sitzen­den Rudolf Vir­chow erwarb der Vere­in 1886 den Rest­be­stand von 43 men­schlichen Schädeln. Davon sind heute noch 18 nachweisbar.

Ethnographische Köpfe“

Offen­bar kam erst während der Expe­di­tion die Idee auf, die Gesichter der zur anthro­pol­o­gis­chen Forschung erfassten Per­so­n­en in Gips abzu­for­men. Nach der Rück­kehr ließen die Brüder 275 solche Abfor­mungen gal­vanoplas­tisch und auch in Gips repro­duzieren und ver­trieben sie seit 1859 unter dem Titel „Ethno­graphis­che Köpfe“ (bzw. „Heads“) über den Ver­leger Johann Ambro­sius Barth in Leipzig. Dieser hat mehrfach mit Prospek­ten auf das Ange­bot hingewiesen (J. A. Barth, Prospec­tus of Messr. Schlagintweit’s Col­lec­tion of Ethno­graph­i­cal Heads from India and High Asia. Leipzig, Mai 1859; zweite Auflage Novem­ber 1859 sowie min­destens eine weit­ere Auflage nach 1877). Die Nach­frage war offen­bar mäßig. Während die Brüder stets an dem Adjek­tiv „ethno­graphisch“ fes­thiel­ten, wech­sel­ten sie um 1865 – wohl angesichts der angloamerikanis­chen Diskus­sion über men­schliche Rassen – den Ter­mi­nus und sprachen for­t­an nicht von „Köpfen“, son­dern von „Racen Typen“. Eine Def­i­n­i­tion dieses Begriffs hat Her­mann v. S. nicht gegeben; der für die ethno­graphis­chen Erken­nt­nisse vorge­se­hene Band der „Results“ blieb unbearbeitet.

Der Prospekt zeigt zwei der Gipsabformungen über dem Text "Prospektus und Übersicht über die Schlagintweit'sche Sammlung ethnographischer Köpfe. Über Lebende abgeformt und in genauen Abgüssen natürlicher Grösse wieder dargestellt. Aus Indien und Hochasien, aus Marokko und Nordamerika. Zu Beziehen durch die Buchhandlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig." Diesen Überschriften folgen zwei einleitende Absätze, welche die Vorteile ebensolcher Gipsabformungen im Vergleich zum ethnographischen Studium anhand von Büchern und Zeichnungen darstellen.
Fig. 1: Verkauf­sprospekt für die „ethno­grafis­chen Köpfe“ der Schlag­in­tweits. Mit fre­undlich­er Genehmi­gung des Archivs des Deutschen Alpen­vere­ins, München.

Im Fol­gen­den wer­den die belegten Käufe und die heute nach­weis­baren Bestände dieser Gesichtsab­for­mungen aufgeführt.

Kalkutta / Madras / Bombay

Unmit­tel­bar nach ihrem Erscheinen waren zwei kom­plette Sätze für das Impe­r­i­al Muse­um in Cal­cut­ta (Indi­an Muse­um Kolkata), sowie für das Gov­ern­ment Muse­um Madras (Chen­nai) geordert wor­den. Einen Teil­satz erhielt ein Muse­um in Bombay.

London, ehem. India Museum

1859 wurde ein fast voll­ständi­ger Satz der Abfor­mungen (Gal­vano) an das India House übergeben. Der Verbleib ist ungewiss.

St. Petersburg

Eine unbekan­nte Anzahl von Abfor­mungen wurde nach St. Peters­burg geliefert. Näheres ist nicht bekannt.

Mailand

Verkauf von 50 Abfor­mungen in Gips an einen Grafen Mon­dol­fo für das Civi­co Museo di Sto­ria Nat­u­rale di Milano (All­gem. Zeitung Augs­burg 1. April 1866, S. 1484). Bish­er nicht nachweisbar.

München, Museum Fünf Kontinente

Das 1862 gegrün­dete Münch­n­er Völk­erkun­de­mu­se­um erwarb 1865/1866  80 Abfor­mungen (Gal­vano), die heute nicht mehr nach­weis­bar sind.

Berlin, Ethnologisches Museum

In den 1890iger Jahren Ankauf eines kom­plet­ten Satzes der Abfor­mungen für 3500 Mark.

Nach­weis­bar sind heute:

Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum

1 Abfor­mung in Gips

Jena, Museum Anatomicum Jenense

6 Stücke (Gal­vano) der „Ethno­graphis­chen Köpfe“. Diese waren ursprünglich Geschenke der Brüder Schlag­in­tweit an Großher­zog Carl Alexan­der von Sach­sen-Weimar, der sie dem Anatomicum der Uni­ver­sität überstellte.

Paris, Musée National d’Histoire Naturelle

Das Muse­um erwarb die kom­plette Serie der 275 Abfor­mungen (Gal­vano); heute noch weit­ge­hend vorhanden.

Lahore/Pakistan, Lahore Museum

2017 wur­den in den Bestän­den des Muse­ums 50 Abfor­mungen (Gal­vano) aufgefunden.

Bombay (Mumbai), Dr. Bhau Daji Lad Mumbai City Museum

14 Abfor­mungen (Gal­vano)

Traum vom Orient

Die Wirkung der Brüder Schlag­in­tweit beschränk­te sich nicht auf die Wis­senschaft. Ihre Erken­nt­nisse, Bilder und Objek­te beflügel­ten auch die Phan­tasie hochgestell­ter Per­sön­lichkeit­en. Während es Friedrich Wil­helm IV. von Preußen aber nicht vergön­nt war, seine Träume von Indi­en und Kaschmir in einem „Indis­chen Muse­um“ in Berlin lebendig wer­den zu lassen, kon­nte sein Großn­effe Lud­wig II. von Bay­ern 1867–1870 eine ähn­liche Vision vom Ori­ent real­isieren: ‚Indi­en‘ war das Leit­mo­tiv des pri­vat­en Win­ter­gartens auf der Münch­n­er Res­i­denz. Lud­wig II. bestand allerd­ings auf Wirk­lichkeit­streue und zog dafür mit Her­mann v. S. einen Spezial­is­ten hinzu. Dessen Mitwirkung an diesem Pro­jekt ist aus drei sig­nifikan­ten Fak­ten zu erschließen: Im Schlussprospekt des Dachgartens wurde die erste Tafel der „Results“ mit der Ansicht des Mount Ever­est („Gau­risankar“) adap­tiert; die eigen­tüm­liche Gestalt der ‚Indis­chen Hütte‘ reflek­tierte Her­manns Zeich­nun­gen; zur Ausstat­tung dieser Hütte erwarb der König 1870 orig­i­nale Tex­tilien, Tep­piche, Mobil­iar, Korb­waren, ein Weihrauchge­fäß und ein beson­ders großes Bam­bus­rohr aus den Schlagintweit’schen Samm­lun­gen. Bei der Auflö­sung des Win­ter­gartens 1886 gin­gen diese Objek­te offen­bar verloren.

Literaturverzeichnis

Veröffentlichungen der Brüder Schlagintweit über die Expedition

Results
Schlag­in­tweit-Sakün­lüs­ki, Her­mann de / Adolph Schlag­in­tweit / Robert de Schlag­in­tweit: Results of a sci­en­tif­ic Mis­sion to India and High Asia: under­tak­en between the years MDCCCLIV and MDCCCLVIII, by order of the court of direc­tors of the hon. East India Com­pa­ny, Bd. 1, Leipzig: Brock­haus / Lon­don: Trüb­n­er, 1861; Bd. 2: ibid. 1862; Bd. 3: ibid. 1863, Bd. 4: ibid. 1866
(die Bände 5 – 9 wur­den nicht veröffentlicht)

Atlas zu den Results
Schlag­in­tweit, Her­mann de / Adolph Schlagintweit/ / Robert de Schlag­in­tweit: Atlas of Panora­mas, Views and Maps, 4 Teile, Leipzig: Brock­haus / Lon­don: Trüb­n­er, 1861 – 1866
(voll­ständi­ge Exem­plare: Uni­ver­sitäts­bib­lio­thek Hei­del­berg [dig­i­tal­isiert]; Alpines Muse­um München)

Reisen
Schlag­in­tweit-Sakün­lün­s­ki, Her­mann von: Reisen in Indi­en und Hochasien. Eine Darstel­lung der Land­schaft, der Cul­tur und Sit­ten der Bewohn­er, in Verbindung mit kli­ma­tis­chen und geol­o­gis­chen Ver­hält­nis­sen. Basirt auf die Resul­tate der wis­senschaftlichen Mis­sion von Her­mann, Adolph und Robert von Schlag­in­tweit aus­ge­führt in den Jahren 1854 – 1858,
Band 1: Indi­en. Jena: H. Costeno­ble, 1869
Band 2: Hochasien. I: Der Himalaya von Bhután bis Kaschmir. ebd. 1871
Band 3: Hochasien. II: Tibet, zwis­chen Himalaya- und der Karako­rum-Kette. ebd. 1872
Band 4: Hochasien. III: Ost-Turk­istan und Umge­bung. Neb­st wiss. Zusam­men­stel­lun­gen über die Höhenge­bi­ete und über die ther­mis­chen Ver­hält­nisse. ebd. 1880

Neuere Literatur zu den Brüdern Schlagintweit

Brescius, Moritz von. 2015. „Humboldt’scher Forscher­drang und britis­che Kolo­nial­in­ter­essen“. In: Brescius / Kaiser 2015, S. 31–88.

Brescius, Moritz von, Friederike Kaiser, Stephanie Klei­dt (Hg.). 2015. Über den Himalaya. Die Expe­di­tion der Brüder Schlag­in­tweit nach Indi­en und Zen­tralasien 1854 bis 1858. Köln, Weimar, Wien: Böh­lau. [Mit aus­führlich­er Bibliographie] 

Brescius, Moritz von. 2019. Ger­man Sci­ence in the Age of Empire. Enter­prise, Oppor­tu­ni­ty and the Schlag­in­tweit Broth­ers. Cam­bridge: Uni­ver­si­ty Press.

Büch­ler, Anne, Rolf Schu­mach­er. 1990. Die Nach­lässe von Mar­tius, Liebig und den Brüdern Schlag­in­tweit in der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek, verze­ich­net von Anne Büch­ler und Rolf Schu­mach­er. Für den Druck bear­beit­et von Stephan Kell­ner. Wies­baden: Haras­sowitz. [= Find­buch für die Schlag­in­tweitiana der BSB

Dick­o­ré, W. Bern­hard. 2015. „Das Herbar­i­um der Brüder Schlag­in­tweit. Bio­di­ver­sität vom Dach der Welt“. In: Brescius / Kaiser 2015, S. 305–318.

Gemel, Richard, Elis­a­beth Har­ing. 2011. „On two shells of tri­ony­chid tur­tles in the col­lec­tions of the Zool­o­gis­che Staatssamm­lung München with remarks about mor­pho­log­i­cal dif­fer­ences between Chi­tra Gray, 1844 and Pelocheelys Gray, 1864“. Her­peto­zoa 23, Nos. 3/4, S. 67–77.

Kick, Wil­helm. 1967. Schlag­in­tweits Ver­mes­sungsar­beit­en am Nan­ga Par­bat 1856. München. [= Deutsche Geo­dätis­che Kom­mis­sion bei der Bay­erischen Akademie der Wis­senschaften, Rei­he C; 97] 

Kick, Wil­helm. 1993. Adolph Schlag­in­weits Karako­rum-Forschungsreise 1856. München. [= Forschungs­berichte des Deutschen Alpen­vere­ins; 6] 

Klei­dt, Stephanie. 2015a. „Lust und Last. Die Samm­lun­gen der Gebrüder Schlag­in­tweit“. In: Brescius / Kaiser 2015, S. 113–137.

Klei­dt, Stephanie. 2015b. „Zwis­chen Doku­ment und Kunst­werk. Die Zeich­nun­gen und Aquarelle der Brüder Schlag­in­tweit aus Indi­en und Hochasien“. In: Brescius / Kaiser 2015, S.145–159.

Klei­dt, Stephanie. 2015c. Zeich­nun­gen der Brüder Schlag­in­tweit von der Expe­di­tion nach Indi­en und Hochasien 1854 – 1858. Konko­r­danz der erhal­te­nen und doku­men­tierten Blät­ter. München: Deutsch­er Alpen­vere­in. [Exem­plare der Konko­r­danz liegen in München in der Staatlichen Graphis­chen Samm­lung, der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek und der Bib­lio­thek des Alpinen Muse­ums – hier auch online (http://services.alpenverein.de/konkordanz_komplett_25942).]

Klei­dt, Stephanie 2016/2017. „Frühe Cham-Masken aus dem Kloster Hemis in Ladakh“. Jour­nal Fünf Kon­ti­nente. Forum für eth­nol­o­gis­che Forschung 2 (2016/2017), S. 112–149.

Kulke, Her­mann, Diet­mar Rother­mund. 2010. Geschichte Indi­ens: von der Induskul­tur bis heute, 2. aktu­al. Aufl. München: C. H. Beck.

Körn­er, Hans. 1982. „Die Brüder Schlag­in­tweit“. In: Müller, Claudius C., Wal­ter Rau­nig (Hg.) Der Weg zum Dach der Welt. Inns­bruck: Pin­guin-Ver­lag/Frank­furt am Main: Umschau, S. 62–75

May­er, Christoph. 2015. „Die Gletscher­forschun­gen der Brüder Schlag­in­tweit“. In: Brescius / Kaiser 2015, S. 295–303.

Nüss­er, Mar­cus. 2015. „Natur und Kul­tur im Himalaya“. In: Brescius / Kaiser 2015, S. 319–343.

Stephanie Klei­dt, Alpines Muse­um, München