Projektverantwortliche: Dr. Anandita Bajpai
Projektstatus: abgeschlossen
Im Mittelpunkt des Projekts stehen so genannte kulturpolitische Austausch- und Kooperationsbeziehungen zwischen Akteuren aus der DDR und Indien, die, so die These der Bearbeiterin, fehlende offizielle diplomatische Beziehungen zwischen Indien und der DDR in der Zeit von 1952 bis 1972 kompensierten. In diesen kulturellen Beziehungen ging es vor allem um Sichtbarkeit: Die DDR sollte den Menschen in Indien bekannt gemacht werden, eine Aufgabe, die gemeinhin Botschaften und Konsulate erfüllen.
Das Projekt konzentriert sich auf Kontakte von Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen, in erster Linie Universitätsangehörige der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und der Jawaharlal Nehru University (JNU) sowie der Delhi University (DU), zwischen 1952 und 1972. 1952 markiert den Beginn der Verhandlungen zur Errichtung der DDR-Handelsvertretung in Indien (1956) und 1972 die Anerkennung der DDR durch Indien. Anandita Bajpai argumentiert, dass Angehörige von Universitäten, neben Kultur- und Kunstschaffenden (Bertolt Brecht als das “Gesicht der DDR” in Indien) sowie Freundschaftsgesellschaften eine bedeutsame Rolle bei der Initiierung und Gestaltung kultureller / nichtstaatlicher Kontakte spielten. Gleichzeitig untersucht sie, wie indische Akteure außerhalb der formalen politischen Kontakte in sozio-kulturellen Beziehungen engagiert waren und wie sie davon profitierten.
Wie beeinflusste die fehlende offizielle Anerkennung der DDR durch Indien die Beziehungen und Verflechtungen zwischen Angehörigen der untersuchten Universitäten in beiden Ländern? Wie konnten ihrerseits die Wissenschaftlerinnen durch die Gestaltung ihrer Zusammenarbeit auf den Prozess der Anerkennung einwirken?
Mit dem Projekt des Tandempartners Alexander Benatar ergeben sich Überlappungen in konzeptioneller und methodischer Hinsicht: Untersucht werden unterschiedliche verflechtungsgeschichtliche Prozesse (politische / diplomatische bzw. nichtstaatliche / kulturelle) in einem vergleichbaren historischen Zeitraum und unter Hinzuziehen von eng aufeinander bezogenen Quellenbeständen.
Als Pilotprojekt im Rahmen von MIDA träg das Projekt dazu bei, die in den Archivdokumenten verwendeten Kategorien ‚kulturell‘ bzw. ‚nichtstaatlich‘ im Kontext der behandelten Thematik zu hinterfragen. Es zeigt die Verflechtungen von Kulturpolitik und Staatspolitik vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und beleuchtet die Konsequenzen für die beteiligten Akteure. Es wird Inhalte und Ergebnisse der Beziehungen zwischen Universitätsangehörigen in Indien und in der DDR einer internationalen Leserschaft zur Kenntnis bringen. Bisher blieben vor allem aufgrund von Sprachbarrieren viele Werke von DDR Intellektuellen einem nicht-deutschsprachigen Publikum verschlossen. Ausführliche biographische Zeitzeugen Interviews mit Wissenschaftler/innen werden durchgeführt, um eine kritische Perspektive zu dem in den Archiven gewonnenen Wissen zu erarbeiten. Im Sinne der Idee der Verflechtungsgeschichte wird besonderes Augenmerk auf die aktive Rolle indischer Akteure und deren Interessen und Erwartungen gelegt.
Für das Projekt zu konsultierende Quellen umfassen unter anderem Diplomatenberichte, Berichte von Angestellten der DDR-Handelsvertretung in Indien sowie von Universitätsangehörigen; Publikationen von Akademiker/innen der HU, Publikationen von Freundschaftsgesellschaften DDR-Indien und Zeitungen und Zeitschriften in Indien und in der DDR.
Die wichtigsten Bestände befinden sich im Bundesarchiv und im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Neben den zentralen staatlichen Archiven sind besonders personenbezogene Archive und Nachlässe von Interesse, wie beispielsweise das Bertolt Brecht Archiv an der Akademie der Künste, Berlin; die Nachlässe von Petra und Joachim Heidrich sowie von Horst Krüger am ZMO Berlin; sowie der Nachlass von Walter Ruben im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Berlin.
In Indien enthalten unter anderem das Archiv der Nehru Memorial Museum and Library, New Delhi; die National Archives of India, New Delhi, die Zakir Hussain Bibliothek der Jamia Milia Islamia, New Delhi sowie das PC Joshi Archiv an der JNU relevantes Material. Darüber hinaus stellen auch Publikationen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der HU Berlin wichtige Quellen dar.
Umfangreiche Archivrecherchen wurden gemeinsam mit dem Berliner MIDA-Team im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes und im Bundesarchiv Berlin durchgeführt. In Indien konsultierte die Bearbeiterin bisher die Bestände des PC Joshi Archives und der National Archives of India. Die Bearbeiterin konnte fünf vertiefende biographische Interviews mit ehemaligen DDR-Wissenschaftler/innen bzw. einem indischen Wissenschaftler, der in der DDR arbeitete, durchführen und verfügt nun über Gesprächsaufzeichnungen von mehr als 10 Stunden.