Von Martin Krieger
Veröffentlicht 2019
DOI 10.25360/01–2022-00035
Foto: Martineum des CJK in Breklum (2009). Fotograf: Nicolaus Petersen. CC-BY-SA‑3.0.
Inhaltsverzeichnis
Historischer Hintergrund | Die Quellen | Gedruckte Quellen in Auswahl | Sekundärliteratur
Historischer Hintergrund
Seit 1882 waren Missionare der Schleswig-Holsteinischen evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft zu Breklum im Koraput-Distrikt im Süden des heutigen indischen Bundesstaates Orissa tätig. Im Breklumer Missionsseminar wurden seit 1877 Missionare ausgebildet, die in Indien, China, Afrika oder Papua-Neuguinea Einsatz fanden. Das ursprüngliche Ziel der ersten beiden Indien-Missionare, Hermann Bothmann und Ernst Pohl, war das im heutigen Bundesstaat Chhattisgarh gelegene Territorium von Bastar. Eine schlechte Vorbereitung drohte allerdings das Unternehmen schon vor seinem eigentlichen Beginn scheitern zu lassen, und die erste Missionsfahrt endete für die beiden Breklumer in einem Krankenhaus in Madras. Noch im selben Jahr gelang es ihnen aber, im Koraput-Distrikt (dem historischen Fürstentum Jeypore), ein Missionsunternehmen zu begründen. Die damals noch weitgehend bewaldete und tribal geprägte Region zählte zu den zahlreichen sogenannten „Dschungelkönigtümern“ auf dem indischen Subkontinent und zeichnete sich durch ihre besondere Unzugänglichkeit und Abgeschiedenheit aus. Vorherrschende Ethnien sind hier die Khond, Dombo und Poroja. Die über das Territorium herrschende Suryavamsha-Dynastie war seit 1803 den Briten gegenüber tributpflichtig. Unter britischer Herrschaft gehörte die Region lange Zeit zur südindischen Madras Presidency und wurde erst 1936 dem Territorium von Orissa angegliedert.
Die erste Breklumer Missionsstation entstand in der Stadt Koraput. Zwei weitere Stationen wurden wenig später in den Orten Jeypore und Nowrangapur gegründet. Die Anfangsjahre waren von großen Schwierigkeiten vor allem in Koraput gekennzeichnet. Vorzeitige Abreise von Missionaren, Krankheit und Tod dämpften die Stimmung ebenso wie der anfänglich fehlende Missionserfolg. Erst nach 1900 wuchs die indigene Gemeinde signifikant an. So stieg die Zahl der Lutheraner im Missionsbezirk Koraput von 293 im Jahr 1901 auf 2561 im Jahr 1908. Weitere Missionsstationen wurden in jener Zeit gegründet, und auch die Zahl der Missionare stieg. Wirkten in der Anfangszeit lediglich drei oder vier Breklumer gleichzeitig in Indien, so waren es um 1920 etwa 25 Missionare. 1928 gründete sich im Koraput-Distrikt eine zunächst unter der Leitung der schleswig-holsteinischen Missionare stehende einheimische lutherische Kirche, die Jeypore Evangelical Lutheran Church (JELC).
Während der beiden Weltkriege war die Missionstätigkeit weitgehend unterbrochen. Eine Neugründung fand das Vorhaben im Rahmen des Katechetischen Amtes Breklum, das 1945 entstand und ab 1948 unter der Bezeichnung Breklumer Seminar für missionarischen und kirchlichen Dienst existierte. Seit Ende der 1960er Jahre erschien eine reine Missionsarbeit nicht mehr zeitgemäß, und soziale sowie diakonische Arbeit trat immer mehr in den Vordergrund. 1970 ging die Breklumer Mission im Nordelbischen Zentrum für Weltmission und Kirchlichen Weltdienst und sieben Jahre später im damals neugegründeten Nordelbischen Missionszentrum auf. Seit 2011 ist das Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit (ZMÖ) Träger der kirchlichen Kooperation der nunmehrigen Nordkirche mit Kirchen in Asien, Afrika, im pazifischen Raum, in Amerika und Europa. Die Jeypore Evangelical Lutheran Church wurde immer stärker als selbstständiger Kooperationspartner wahrgenommen, der nach wie vor eine enge Kooperation mit der heutigen lutherischen Nordkirche pflegt.
Die Quellen
Die Quellen zur Breklumer Mission und ihrer Nachfolgeunternehmen werden im Archiv des Zentrums für Mission und Ökumene, Nordkirche weltweit, in Breklum (Schleswig-Holstein, Kreis Nordfriesland) verwahrt und umfassen den Zeitraum zwischen den 1880er und den 1990er Jahren (s.: Findbuch Archiv des Zentrums für Mission und Ökumene Nordkirche weltweit, Kiel 2015). Die Akten dieser äußeren Mission (Teil 1 des Bestandes) wurden gemeinsam mit den Akten der Pastor Christian Jensen Anstalten für Innere Mission (Teil 2) verzeichnet; Teil 3 enthält gemeinsame Karten, Pläne und Zeichnungen und Teil 4 macht das umfangreiche Bildarchiv des Gesamtbestandes aus. Das aktuelle Findbuch und die Dokumente sind nach Anmeldung im Archiv einsehbar. Bei einigen Akten gelten Nutzungsbeschränkungen (Personenschutz). Ein Teil des Bestandes wird gegenwärtig digitalisiert.
Die im Breklumer Archiv verwahrten Dokumente zum lutherischen Missionsunternehmen im Koraput-Distrikt umfassen sowohl Verwaltungsakten als auch Dokumente privater Provenienz. Sie sind weitgehend in deutscher Sprache verfasst, in Einzelfällen sind auch Dokumente in der Regionalsprache Oryia (Odia) erhalten. Daneben existiert eine sehr umfangreiche, ebenfalls durch das Findbuch erschlossene Sammlung an Fotos, Bildnegativen und Dias. Die Quellen geben in großer Ausführlichkeit über die Breklumer Mission im Koraput-Distrikt und die Geschichte der JELC Auskunft, ermöglichen daneben aber auch Einblicke in Alltag, Wirtschaftsleben, Kultur und Religionsausübung der tribalen Bevölkerung sowie in die Natur und den landschaftlichen Wandel. Insbesondere finden sich Informationen zu den Orten/Städten Doliambo, Jagdalpur, Jamguda, Jeypore, Koraput, Nowrangapur, Perambalur, Rajahmundry und Tiruputtur, teils in Südorissa, teils im Norden des heutigen Bundesstaates Andhra Pradesh gelegen.
Neben missions- und sozialgeschichtlichen Themen erlauben die Dokumente auch Untersuchungen umweltgeschichtlicher Fragestellungen. So lässt sich anhand vieler Quellen mit landeskundlichen Inhalten beispielsweise die allmähliche Entwaldung der Region rekonstruieren. Auch ermöglichen Wetteraufzeichnungen in einigen Tagebüchern die Rekonstruktion von Klimaschwankungen (v.a. Dauer und Intensität der Regenzeit) im Laufe der Jahrzehnte. Stets zeigten sich die Missionare vor allem aber als aufmerksame Beobachter der Praktiken tribaler Kulte und des allmählichen Vordringens hinduistischer Glaubensformen in die Stammesgebiete. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Texte ganz überwiegend aus dem Blickwinkel der europäischen Mission verfasst wurden, in ihrem objektiven Informationsgehalt in mancherlei Hinsicht also begrenzt sind.
In der Frühzeit erwiesen sich sieben Missionare bei der schriftlichen Dokumentation ihrer Erfahrungen als besonders produktiv, indem sie nicht allein Tagebücher oder Reiseaufzeichnungen, sondern teils auch voluminöse gedruckte Werke verfassten. Dabei handelte es sich um Hermann Bothmann (wirkte als Missionar 1882–1913), Ernst Pohl (1882–1906), Theodor Ahrens (1888–1910), Ernst Gloyer (1888–1914/1926–1936), Lukas Harless (1885–1896), Christoph Wohlenberg (1895–1914) und Wilhelm von Frieling (1886–1911). Viele Informationen über das Missionsprojekt und begrenzt auch über Land und Leute liefern zudem der Nachlass und das gedruckte Werk „Die Breklumer Mission in Indien“ (1919) des 1898–1914 amtierenden Breklumer Missionsinspektors Hans Detlef Bracker. Dieser unternahm 1910/1911 eine längere Visitationsreise und berichtet ausführlich über die Arbeit in den einzelnen Missionsstationen, über Land und Leute im Koraput-Distrikt sowie über das nördlich benachbarte Fürstentum Kalahandi.
Alle im Archiv verwahrten Dokumente lassen sich mit dem aktuellen Findbuch gut identifizieren. Dieses verzeichnet in inhaltlicher Systematik die Teilbestände zur Breklumer Mission und ihrer Nachfolgeprojekte sowie zur JELC. Da die Systematik des Findbuchs nicht der laufenden Nummerierung der Akten folgt, ist jede Akte zusätzlich mit einer Indexnummer versehen, die die Suche im Register und das anschließende Auffinden des Aktentitels im Findbuch ermöglicht. (Im Folgenden ist stets die Indexnummer angegeben)
Gliederung des Findbuches
1.1 Vorstand
1.2. Verwaltung und Organisation
1.3 Allgemein
1.4 Gebäudeverwaltung
1.5 Vermögen
1.6 Öffentlichkeitsarbeit
1.7 Überregionale und internationale Einrichtungen der Mission und Veranstaltungen
1.8 Verwaltung, Schriftwechsel etc.
1.9 Allgemeines
1.10 Geschichte; geschichtliche Überlieferung
1.11 Sonstiges
2.1. Verwaltung, Finanzwesen, Organisation
2.2. Predigerseminar und Brüderanstalt
2.3. Verwaltung
2.4. Krankenhaus/Sanatorium
2.5. Buchhandlung
2.6. div. Organisation und Verwaltung
2.7. div. Verwaltung, Schriftwechsel
2.8. Geschichte; geschichtliche Überlieferung
2.9. div. Haushalt, Allgemeines
3. Karten, Pläne, Zeitungen, Zeitschriften
4.1. Mission
4.2. Allgemeine Bilder
5.01 Nachlass Hildegard Wiese
5.02 Nachlass Helmut Horwege
In fast allen Abschnitten der Teile 1, 3 und 4 finden sich Dokumente mit Bezug zur Indien-Mission. In Teil 1.1 ist besonders auf die Jahresberichte und andere offizielle Mitteilungen zu verweisen: 1.1.3, Nr. 54, 55: div. Berichte über die Arbeit der Schleswig-Holsteinischen evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg; Nr. 56, 57: Jahresberichte und Mitteilungen der Breklumer Mission aus den 1930er und 1940er Jahren; Nr. 58–60: Jahresberichte aus der Zeit zwischen Ende des Zweiten Weltkrieges und Ende der 1960er Jahre. Es finden sich unter 1.2.4, Nr. 50 auch Reiseberichte des Missionsdirektors Peter Piening aus Indien (1935–1945). Im Abschnitt 1.8.4 des Findbuches sind Verwaltungsakten und allgemeiner Schriftwechsel zur Indien-Mission und im sehr umfangreichen Abschnitt 1.9.2. Personalakten und sonstige personenbezogene Dokumente (Tagebücher, Reisebeschreibungen, Predigten, etc.) dokumentiert. Nennenswert sind auch die Arbeitsberichte der indischen Missionsstationen, hier v. a. 1889–1916. Ebenso finden sich Selbstzeugnisse von einheimischen Predigern sowie Buchmanuskripte und andere Forschungsarbeiten im Bestand, z. B. Agnes Hertz: „Die Geschichte der Übersetzung der Bibel in die Kuvi-Sprache“ oder „Die Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche in Jeypore (Indien), JELC“ (ohne Verfasser). Im Bestand finden sich ebenso Akten aus dem Nachlass des Missionars und Missionshistorikers Otto Waack.
Unter 4.2.1 ist die große Indien-Bildsammlung verzeichnet. Diese enthält neben einer Fülle an Landschaftsaufnahmen auch Abbildungen von europäischen und indischen Missionsmitarbeiterinnen und ‑mitarbeitern, von Stammesangehörigen, vielen Ortschaften, Straßenszenen, Kirchengebäuden und Missionsstationen, Wohngebäuden sowie Tempeln und stellt die einzigartige Dokumentation einer bis ins 20. Jahrhundert hinein nur selten besuchten Gegend dar.
Gedruckte Quellen in Auswahl
Ahrens, Theodor, Geschichte unserer Missionsstation Nowrangapur. Breklum: 1903.
——–, Die Aussätzigen im Jeypurlande. Breklum: 1904.
Bothmann, Hermann, Gründung unserer Missionsstation Gunipur. Breklum: 1905.
Bracker, Detlef, Jeypur Land und Leute. Eine volkstümliche Schilderung des Hauptgebietes der Breklumer Mission. Breklum: 1902.
——–, Die Breklumer Mission in Indien. Ein Reisebericht. Breklum: 1919.
——–, Die Breklumer Mission in Indien. Breklum: 1926.
Gloyer, Ernst, Jeypur. Das Hauptarbeitsfeld der Schleswig-Holsteinischen evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft an der Ostküste Vorderindiens, hg.v. E. Wallroth. Breklum: 1901.
Haack, Hans, Tierverehrung in Indien. Breklum: 1912.
Langlo, Lene, Kinder im Jeypurland. Breklum: 1949.
Nelle, Albrecht, Momentaufnahmen aus Koraput. Mit zwei kritischen Kommentaren indischer Pastoren. Breklum: 1974.
Pohl, Ernst, Parvatipur. Breklum: 1903.
——–, Aus den Anfängen der Breklumer Mission. 6. Aufl. Breklum: 1966.
Wohlenberg, Christoph, Ins Jeypurland. Reisebeschreibung. Breklum: 1901.
——–, Die Arbeit der Schleswig-Holsteinischen Mission in Indien. Ratzeburg: 1910.
Sekundärliteratur
Ahmed, M., Koraput, (District Census Handbook). 2 Bde. Cuttack: 1965.
Nayak, Radhakand / Soreng, Nabor, Kuvi Kondhs. A Handbook for Development. Bhubaneswar: 1999.
Nordelbisches Zentrum für Weltmission und kirchlichen Weltdienst (Hg.), 125 Jahre Breklumer Mission. Breklum-Hamburg: 2001.
Schierenberg, Kristin, Afrikabestände im Archiv der Breklumer Mission. Leipzig: 2005.
Schmidt, Hartmut, Christian Jensen. Die Geschichte seiner Breklumer Gründungen. 4 Bde. Hamburg: 1998–2001.
Schnepel, Burkhard, Die Dschungelkönige. Ethnohistorische Aspekte von Politik und Ritual in Südorissa. Stuttgart: 1997.
Sensche, Klaus, Christian Jensen und die Breklumer Mission. Der missionstheologische Ansatz Christian Jensens und seine Verwirklichung in der Breklumer Missionsgeschichte. Bredstedt: 1976.
Swaro, Dasarathi, The Christian Missionaries in Orissa. Their Impact on Nineteenth Century Society. Kalkutta: 1990.
Waack, Otto, Indische Kirche und Indien-Mission. Die Geschichte der Jeypore-Kirche und der Breklumer Mission. 2 Bde. Erlangen: 1994–1996.
——–, Church and Mission in India. The History of the Jeypore Church and the Breklum Mission (= englische Übersetzung des obigen Werkes). Delhi: 1997.
Weitling, Günter, Die Geschichte der Kirche in Ost-Jeypore 1924–1964. Beziehungen der Breklumer Mission zu Nordschleswig und Dänemark. Ammersbek: 1998.
Martin Krieger, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
MIDA Archival Reflexicon
Editors: Anandita Bajpai, Heike Liebau
Layout: Monja Hofmann, Nico Putz
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ISSN 2628–5029